Sinnblog
Sinn und andere Erfahrungen
Blog #7

Dem Tod ins Auge sehen

Kann die Angst vor dem Tod unsere Sinnerfüllung verhindern?

Die Angst vor dem Tod oder dem Sterben kennen viele von uns. Viel Ungewissheit geht damit einher. Religionen oder spirituelle Ausrichtungen machen Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod.

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Wenn es nach dem atheistischen Philosophen Jean-Paul Sartre geht, raubt uns der Tod jeglichen Sinn im Leben. Der Psychologe Irvin Yalom sieht das allerdings anders. Er ist der Meinung, dass der Tod zwar unser Leben beendet - der Gedanke an ihn uns aber retten kann. Er geht davon aus, dass der Tod uns motivieren kann, unserem Leben einen Sinn zu geben. Doch kann es nicht auch sein, dass diese Angst vor dem Tod unsere Sinnerfüllung verhindert?

Ist die Angst vor dem Tod abhängig von der Religiosität?

Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass vor allem Menschen, die Angst vor der eigenen Sterblichkeit haben, Zuflucht in den Religionen suchen. Denn diese bieten Erklärungen und Aussichten für den eigenen Tod. Die Angst vor der Ungewissheit könnte – durch die Religiosität als Puffer – überwunden werden. Doch gleichzeitig ist es auch so, dass Menschen, die mit einer Religion nichts am Hut haben, der eigenen Sterblichkeit relativ unbeängstigt gegenüberstehen. Die größte Angst vor dem Tod scheinen die Menschen zu haben, die unentschlossen religiös sind. Sie wenden sich dem Glauben zu, in der Hoffnung die Angst vor dem Tod hinter sich zu lassen. So ganz scheint ihnen das allerdings nicht zu gelingen. Möglicherweise ist die religiöse Verbundenheit nicht intensiv genug – oder sie wird allein als “Mittel zum Zweck” gesehen.

Kann Religiosität Sinnverlust verhindern?

Leidet unser Sinnerleben darunter, wenn wir uns mit dem Tod konfrontieren? Das scheint vor allem bei nicht-religiösen Menschen der Fall zu sein. In einer Studie setzten sich Menschen über einen längeren Zeitraum intensiv mit ihrer Sterblichkeit auseinander. Bei Religiösen hatte dies keine Auswirkung auf die Sinnerfüllung. Bei Nichtreligiösen nahm sie jedoch ab.

Veränderbarkeit der Einstellung gegenüber dem Tod

Wir haben einen Einfluss darauf, wie wir der Tatsache unserer Sterblichkeit begegnen. Dabei scheinen zwei Dinge besonders hilfreich zu sein: sich mit dem Tod mutig auseinanderzusetzen, und unser Leben intensiv zu leben. So zeigen unzählige Berichte, dass die Auseinandersetzung mit dem Tod unser Leben nicht belastet, sondern vollständiger und sogar, ja, heiterer macht. Und wer für sich erkennt, dass dieses Leben endlich ist, gewinnt dadurch an Motivation, es echt und authentisch zu leben. In den Worten Irvin Yaloms: „Die Physikalität des Todes vernichtet uns zwar, aber der Gedanke an ihn kann uns retten“

Sinnfragen

Weil der Tod zum Leben gehört. Wer ihn ausblendet, lebt oft so, als wäre das Leben endlos – und verpasst das Wesentliche. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit macht bewusster: Was zählt für mich? Wofür lohnt es sich, meine begrenzte Zeit einzusetzen?

Indem man ihn nicht als Feind, sondern als Teil des Lebens anerkennt. Angst entsteht oft aus Verdrängung. Wer sich ehrlich mit seiner Endlichkeit beschäftigt, gewinnt an innerer Klarheit – und kann ein Leben führen, das im Einklang mit den eigenen Werten steht.

Es bedeutet, sich existenziell zu öffnen – für die Endlichkeit, für das, was nicht kontrollierbar ist. Psychologisch geht es darum, die eigene Verletzlichkeit anzunehmen, nicht vor ihr davonzulaufen. Gerade das kann Kraft geben: für Entscheidungen, die dem Leben Tiefe verleihen.

Ja. Wer weiß, dass das Leben nicht selbstverständlich ist, lebt intensiver. Dankbarkeit, Verbundenheit, bewusster Genuss – all das wächst, wenn wir den Tod als Grenze anerkennen. Die Begrenzung verleiht dem, was wir tun, Bedeutung.

Stark. Wer den Tod als Teil des Lebens akzeptiert, fragt eher: Was soll bleiben? Was erfüllt mich? Diese Fragen helfen, den eigenen Weg zu finden – und ihn mit Überzeugung zu gehen. Sinn entsteht, wenn wir im Einklang mit dem leben, was uns wirklich wichtig ist.

Quellen

Spitzenstätter, D. & Schnell, T. (2020). Effects of mortality awareness on attitudes toward dying and death and meaning in life—a randomized controlled trial. Death Studies, 1–15. https://doi.org/10.1080/07481187.2020.1808737 Jong, J., Ross, R., Philip, T., Chang, S.-H., Simons, N. & Halberstadt, J. (2018). The religious correlates of death anxiety: a systematic review and meta-analysis. Religion, Brain & Behavior, 8(1), 4–20.

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