Sinnblog
Grundlegende Fragen
Blog #20

Sinnkrise als Chance

Eine Sinnkrise ist ein schmerzhafter Zustand. Sie stellt das bisherige Weltbild und die eigene Existenz in Frage. Das führt zu inneren Widersprüchen und existenziellen Ängsten.

Fünf Stadien des Pflanzenwachstums vom Samen bis zum Keim in der Erde vor einem grünen Hintergrund, der Entwicklung und Natur veranschaulicht.

Diese Ängste haben aber auch ein Potenzial: Sie können uns motivieren, unseren Blickwinkel zu verändern. Sie können uns vor Augen führen, wie wir leben möchten - und uns dadurch (neue) Wege zur Sinnerfüllung aufzeigen.

Posttraumatisches Wachstum

Das sogenannte Posttraumatische Wachstum ist ein besonderes Beispiel für die Sinnkrise als Chance. Der Ausgangspunkt ist dabei ein traumatisches Ereignis, das unsere grundlegenden Überzeugungen erschüttert. Das kann beispielsweise ein Unfall, der Tod einer nahestehenden Person, Krankheit oder Gewalt sein. Solche dramatischen Lebensereignisse können uns in eine Sinnkrise  führen. Das Posttraumatische Wachstum beschreibt die Wahrnehmung, sich selbst aufgrund eines solchen Ereignisses zum Positiven verändert zu haben. Betroffenen Personen gelingt es, die schwierigen Erfahrungen zu durchleben, zu verarbeiten und in den Lebensentwurf zu integrieren. Daraus ergibt sich eine neue, robustere und realitätsnähere Sicht auf die Welt.

Positive Entwicklungen durch kritische Erfahrungen

Die Forschung geht davon aus, dass posttraumatisches Wachstum in fünf Lebensbereichen stattfindet. Durch die traumatische Erfahrung wird die Endlichkeit des eigenen Lebens auf eine drastische Weise verdeutlicht. Das kann ein klareres Bewusstsein für den Wert des eigenen Lebens schaffen. Denn Betroffene berichten häufig „die kleinen Dinge wieder mehr wertschätzen zu können“. Zusätzlich bietet das Erlebnis die Möglichkeit, Beziehungen zu festigen und mit einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es stellt sich heraus, welche Menschen echte Freunde sind: wer wirklich zu mir steht und welche Kontakte es nicht wert sind, aufrechterhalten zu werden. Auch die eigene Verletzlichkeit wird durch das traumatische Ereignis verdeutlicht. Gleichzeitig wird den Betroffenen aber auch die eigene Stärke, durch das Überstehen und Verarbeiten dieser Erfahrungen, vor Augen geführt.

Durch das traumatische Ereignis kommt es zudem zu einer Unterbrechung des Alltags. Strukturen und Muster, die sich über längere Zeit gefestigt haben und durch eigenen Antrieb nicht verändert werden konnten, werden jetzt aufgebrochen. Dabei können sich neue Möglichkeiten eröffnen. Beispielsweise führen die Erfahrungen dazu, den Job zu kündigen, der seit Jahren unglücklich macht. Sich von Personen zu lösen, die einem nicht guttun. Einige Personen berichten aber auch von einer Veränderung des spirituellen Bewusstseins. Sie finden einen (neuen) Zugang zu Spiritualität, Religiosität oder anderen Formen des Umgangs mit Sinn und Sterblichkeit.

Posttraumatisches Wachstum und Sinnerfüllung

Forschungen haben gezeigt, dass es keine gute Idee ist, in jedem negativen Ereignis einen Sinn zu suchen. Wenn es jedoch gelingt, das kritische Geschehen mit dem persönlichen Lebenssinn zu vereinbaren, dann ist eine positive Veränderung des Lebenswegs möglich. Eine Krise ist vor allem einmal schmerzhaft. Aber sie kann auch eine Chance sein.

Sinnfragen

Ja – auch wenn sie sich zunächst nur leer und schmerzhaft anfühlt. Eine Sinnkrise zeigt, dass etwas nicht mehr stimmig ist. Wer sich darauf einlässt, kann herausfinden, was im eigenen Leben nicht mehr trägt – und was wirklich zählt. Das eröffnet die Möglichkeit, neu auszurichten, was bislang vielleicht bloß funktioniert hat. Wachstum beginnt oft dort, wo alte Gewissheiten wegbrechen.

Wenn das Leben sich leer, ziellos oder fremdbestimmt anfühlt, kann das auf eine Sinnkrise hinweisen. Oft treten auch Zweifel auf: „Was mache ich hier eigentlich?“ oder „Wofür lohnt sich das alles?“ Typisch ist, dass frühere Motivationen nicht mehr tragen – selbst Aktivitäten, die einst Freude gemacht haben, erscheinen plötzlich bedeutungslos.

Indem ich mich frage: Was berührt mich wirklich? Was vermisse ich? Was gibt mir Energie? Die Forschung zeigt: Lebenssinn entsteht, wenn ich mich auf das konzentriere, was mir als bedeutsam erscheint – und daraus mein Handeln ableite. Es geht nicht um fertige Antworten, sondern um einen ehrlichen Blick auf das, was für mich zählt.

Häufig sind es Übergänge, Schicksalsschläge oder Brüche: Trennungen, Krankheit, Jobverlust, Tod, ein Umzug – oder der Moment, in dem lang verfolgte Ziele erreicht wurden und sich trotzdem Leere einstellt. Auch Überforderung, Isolation oder das Gefühl, nur noch zu „funktionieren“, können eine Sinnkrise auslösen.

Nimm deine Zweifel ernst – sie sind kein Makel, sondern ein Hinweis darauf, dass Veränderung ansteht. Suche das Gespräch, reflektiere deine Werte und achte auf das, was dir guttut. Oft hilft es, die eigenen Sinnquellen bewusst zu entdecken und zu stärken – nicht als schnelle Lösung, sondern als neuer Kompass.

Quellen

Chan, C. S., van Tilburg, W. A., Igou, E. R., Poon, C. Y., Tam, K. Y., Wong, V. U., & Cheung, S. K. (2018). Situational meaninglessness and state boredom: Cross-sectional and experience-sampling findings. Motivation and Emotion, 42(4), 555-565. O'Dea, M. K., Igou, E. R., van Tilburg, W. A., & Kinsella, E. L. (2022). Self-compassion predicts less boredom: The role of meaning in life. Personality and Individual Differences, 186, 111360.

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