Sinnblog
Sinn und andere Erfahrungen
Blog #26

Pilgern - der lange Weg zum Sinn

Pilgern – auf dem Weg zum Sinn

Pilgern ist ein sehr altes, ursprünglich religiöses Ritual. In den letzten Jahren wurde es immer populärer und hat heute nicht mehr zwangsläufig etwas mit Religion zu tun.

Eine Person mit Rucksack und Wanderstock wandert auf einem gewundenen Pfad durch üppig grüne Hügel unter einem nebligen Himmel bei Sonnenaufgang.

Beim Pilgern ist man für mehrere Wochen und oft viele hunderte Kilometer zu Fuß unterwegs (seltener sind Pilgernde auch mit dem Fahrrad oder zu Pferd auf dem Weg). Die Gründe für eine solche Reise können ganz unterschiedlich sein. Genauso wie die Erfahrungen, die man beim Pilgern sammelt. Doch häufig gelingt es den Pilgernden – beabsichtigt oder nicht – ihre Sinnerfüllung zu erhöhen.

Warum Pilgern?

Als Pilgern noch vor allem ein religiöses Ritual war, fand es häufig in der Hoffnung auf innere Reinigung, Buße oder Heilung statt. Heute ist nur noch eine Minderheit der Pilgernden religiös motiviert. Die meisten wollen Klarheit erreichen. Andere Motive können sportliche, spirituelle und kulturelle sein. Viele derer, die auf Klarheit durch die Pilgerreise hoffen, befinden sich in einer Sinnkrise . Dieser Zustand ist geprägt von inneren Widersprüchen. Denn: Das Weltbild scheint nicht mehr schlüssig. Das eigene Leben und frühere Überzeugungen werden in Frage gestellt. Durch das Pilgern erhoffen sich diese Personen eine neue Orientierung, ein Auflösen der Widersprüche und das Finden von Sinn. Und tatsächlich zeigt eine Studie, dass durch eine Pilgerreise die Anzeichen einer Sinnkrise und das Erleben von Sinnleere verschwinden können. An deren Stelle treten eine höhere Sinnerfüllung, genauso wie eine höhere Ausprägung der Quellgebiete größeres Ganzes,  höhere Macht  und Selbstverwirklichung.

Warum wirkt eine Pilgerreise sinnstiftend?

Während einer Pilgerreise werden alle drei Phasen eines sogenannten Übergangsritus durchlaufen. Solche Übergangsriten begleiten uns immer wieder im Leben. Zum Beispiel, wenn es zu Brüchen oder abrupten Übergängen in unserem Leben kommt. Beispiele können die eigene Eheschließung oder der Tod einer nahestehenden Person sein.

Zuerst wird eine „Ablösephase“ durchlaufen. Es findet eine Trennung vom Alltagsleben statt. Bei einer Pilgerreise ist man über mehrere Wochen, für mehrere hundert Kilometer unterwegs. Man ist getrennt vom vertrauten Umfeld, von engen Bezugspersonen oder dem Beruf. Das schafft den Abstand, den es möglicherweise für die Bewältigung einer Sinnkrise braucht.

Ist man einmal „abgelöst“, setzt die sogenannte „liminale Phase“ ein. Man nimmt die Rolle des/der Pilgernden ein. In dieser Phase findet Veränderung statt. Pilgern heißt zu großen Teilen Alleinsein und Schweigen. Die reduzierten Reize und die Monotonie des Gehens führen dazu, dass sich der Fokus zwangsläufig auflöst, oder nach innen richtet. Ignorierte Konflikte können nicht länger weggeschoben werden und die Hektik aus dem Alltag tritt ins Bewusstsein. Das macht empfänglich und verletzlich. Gleichzeitig ermöglicht genau dies Erfahrungen von Selbstüberschreitung. Dabei vergessen wir uns selbst und das, was um uns herum geschieht. Es entstehen neue Erkenntnisse und Perspektiven. Neue Sinnquellen geraden in den Blick, oder alte werden wiedergefunden.

Die letzte Phase des „Wiedereintritts“ findet bei der Rückkehr nach Hause, in den Alltag, statt. Jetzt gilt es, die neu gewonnene Sinnerfüllung aufrecht zu erhalten. Diese Phase kann sich schwierig gestalten. Denn wir kommen als „anderer“ Mensch, mit neuen Erkenntnissen, in das alte Umfeld zurück. Der Beruf, die sozialen Rollen und Verpflichtungen können der Umsetzung der neuen Identität im Weg stehen. Dennoch, so zeigen die Daten, bleibt die Sinnerfüllung nach der Pilgerreise höher als zuvor. Auch wenn sie über die darauffolgenden Wochen und Monate wieder leicht absinkt. Noch stabiler ist allerdings das Festhalten an den neu- oder wiederentdeckten Sinnquellen. Sie ermöglichen es, die neu gefundene Sinnerfüllung im Alltag aufrecht zu erhalten.

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