Diese Ängste haben aber auch ein Potenzial: Sie können uns motivieren, unseren Blickwinkel zu verändern. Sie können uns vor Augen führen, wie wir leben möchten - und uns dadurch (neue) Wege zur Sinnerfüllung aufzeigen.
Posttraumatisches Wachstum
Das sogenannte Posttraumatische Wachstum ist ein besonderes Beispiel für die Sinnkrise als Chance. Der Ausgangspunkt ist dabei ein traumatisches Ereignis, das unsere grundlegenden Überzeugungen erschüttert. Das kann beispielsweise ein Unfall, der Tod einer nahestehenden Person, Krankheit oder Gewalt sein. Solche dramatischen Lebensereignisse können uns in eine Sinnkrise führen. Das Posttraumatische Wachstum beschreibt die Wahrnehmung, sich selbst aufgrund eines solchen Ereignisses zum Positiven verändert zu haben. Betroffenen Personen gelingt es, die schwierigen Erfahrungen zu durchleben, zu verarbeiten und in den Lebensentwurf zu integrieren. Daraus ergibt sich eine neue, robustere und realitätsnähere Sicht auf die Welt.
Positive Entwicklungen durch kritische Erfahrungen
Die Forschung geht davon aus, dass posttraumatisches Wachstum in fünf Lebensbereichen stattfindet. Durch die traumatische Erfahrung wird die Endlichkeit des eigenen Lebens auf eine drastische Weise verdeutlicht. Das kann ein klareres Bewusstsein für den Wert des eigenen Lebens schaffen. Denn Betroffene berichten häufig „die kleinen Dinge wieder mehr wertschätzen zu können“. Zusätzlich bietet das Erlebnis die Möglichkeit, Beziehungen zu festigen und mit einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es stellt sich heraus, welche Menschen echte Freunde sind: wer wirklich zu mir steht und welche Kontakte es nicht wert sind, aufrechterhalten zu werden. Auch die eigene Verletzlichkeit wird durch das traumatische Ereignis verdeutlicht. Gleichzeitig wird den Betroffenen aber auch die eigene Stärke, durch das Überstehen und Verarbeiten dieser Erfahrungen, vor Augen geführt.
Durch das traumatische Ereignis kommt es zudem zu einer Unterbrechung des Alltags. Strukturen und Muster, die sich über längere Zeit gefestigt haben und durch eigenen Antrieb nicht verändert werden konnten, werden jetzt aufgebrochen. Dabei können sich neue Möglichkeiten eröffnen. Beispielsweise führen die Erfahrungen dazu, den Job zu kündigen, der seit Jahren unglücklich macht. Sich von Personen zu lösen, die einem nicht guttun. Einige Personen berichten aber auch von einer Veränderung des spirituellen Bewusstseins. Sie finden einen (neuen) Zugang zu Spiritualität, Religiosität oder anderen Formen des Umgangs mit Sinn und Sterblichkeit.
Posttraumatisches Wachstum und Sinnerfüllung
Forschungen haben gezeigt, dass es keine gute Idee ist, in jedem negativen Ereignis einen Sinn zu suchen. Wenn es jedoch gelingt, das kritische Geschehen mit dem persönlichen Lebenssinn zu vereinbaren, dann ist eine positive Veränderung des Lebenswegs möglich. Eine Krise ist vor allem einmal schmerzhaft. Aber sie kann auch eine Chance sein.